Anneliese Smuda aus Münsterdorf

Wettbewerbs-Auszeichnungen

1. Platz im Genre-Wettbewerb 2023 - Lücken
Urteil der Jury

Wenn Menschen sterben, bleiben uns deren Dinge und die Erinnerungen, die wir mit ihnen verbinden. In Lücken kehrt eine Ich-Erzählerin nach dem Tod ihrer Großmutter in deren Haus zurück, um sich möglichst umfassend zu erinnern. Mit ihrer Familie spricht sie über Erlebtes, und sie sucht sich kleine Dinge aus, die sie bewahren möchte. Bei ihrem Streifzug durchs Haus drückt sie immer wieder mental die Tasten Strg S, um ein geliebtes Detail abzuspeichern. Mit ihr gemeinsam nehmen wir bewusst und aufmerksam die Umgebung wahr: Den Vorhang im Küchenfenster. Den Apfelbaum, der erst Früchte trug, nachdem er vergiftet wurde. Den Geruch nach Keller. Der unter dem Küchentisch versteckte Notgroschen. Doch die Toten hinterlassen nun einmal Lücken – und am Ende dann auch ganz buchstäblich als schmerzhaft klaffenden Baulücke. 
Beeindruckend an diesem Text ist sein Detailreichtum. Die Details sind dabei so alltäglich wie bedeutungsvoll; das gezeichnete Bild ebenso spezifisch wie allgemein. Beim Lesen entsteht so schnell eine warme, herzliche Vertrautheit mit diesen Großeltern, ihrem Haus und der liebenden Perspektive der Enkelin. Auch darum spürt man am Ende das Klaffen der (Bau-)Lücke so besonders deutlich. Anneliese Smuda lässt im Alltäglichen etwas Universales aufscheinen: die Tatsache, dass wir alle uns eines Tages mit Verlust auseinandersetzen werden. 
 

Lücken:

Ich fahre die Straße entlang, automatisch und wie von selbst. Ich kuppele, ich schalte, bremse und merke von alledem nichts. Die enge Kurve, die lange Straße mit den sanften Hügeln. Die Brücke mit dem rostigen Geländer, die Kreuzung mit der unsinnigen... Kurzgeschichte lesen

Foto-Smuda-Anneliese
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