Der Toaster
Eines Tages ging er nicht mehr. Wobei er auch eigentlich nie gegangen war, sondern nur dagestanden und seinen Dienst getan hatte. Mehr oder weniger. Seine Performance hatte bisweilen proletarische Züge angenommen, wenn er der Familie die Toastscheiben vor die Füße katapultierte. Das hatte ihm wenig Sympathie eingebracht.
Und eines Tages, da ging eben nix mehr. Man wäre sogar bereit gewesen, ihm manches zu verzeihen. Vergebens.
Trübselig schnitten wir das Brot, und die Frage, die uns nie beschäftigt hatte, stellte sich nun täglich: Warum war das Brot innen immer so klebrig feucht? Verschwörungstheorien wurden diskutiert, Bäcker und Toaster-Hersteller mussten unter einer Decke stecken.
So konnte das nicht weitergehen.
Die Recherche zeigte, dass die Auswahl unter den Toastern riesengroß war, die Qual auch. Denn zu unserem ungläubigen Staunen war in den Testurteilen zu lesen, dass den meisten Geräten ein verbreiteter Makel anhaftete. Sie toasteten nicht richtig. Das gab wieder einmal zu denken. Der Mensch konnte zwar zum Mond fliegen, aber keinen anständigen Toaster bauen?
Ein Kandidat stach aus der Menge der Versager hervor. Er war unheimlich schön, und toasten konnte er angeblich auch, aber leider war er auch unheimlich teuer. Man war von Zweifeln geplagt. Noch ein paar toastlose Tage und wir waren schließlich soweit. Wild entschlossen, uns nur mit dem Besten zufrieden zu geben, wurde bestellt.
Das Paket kam. Es war so groß wie der Preis. Da hätten sicher sechs Toaster drin Platz gefunden, nicht nur preislich. Schon beim Auspacken wurde klar, dieser Toaster war ein echtes Schwergewicht. Wer mit dem schwimmen ging, tauchte nie wieder auf.
Schließlich stand er auf der Kücheninsel in seiner ganzen Pracht, ein Panzer in edelrotem Ferrari-Look inklusive chromglänzender Bedienelemente, als wollte er sagen: Hier bin ich, hier will ich sein und zwar für immer.
Die Familie versammelte sich gespannt um das Wunderwerk. Kaum waren zwei Scheiben in die beiden Toastschlitze hineingestellt, erklang es: das „Ping“. Alle Mühen, jede finanzielle Anstrengung verschwanden hinter dem Charme dieses „Ping“, mit dem der Toast automatisch und elegant wie durch eine Hydraulik versenkt wurde. Ausrufe waren zu hören, doch noch war die Feuertaufe nicht bestanden. Nach akzeptabler Zeit tauchten die Scheiben mit eben jenem „Ping“ wieder auf und zeigten ein perfektes Resultat. Die leichte Rötung auf dem Toast spiegelte sich auf den Wangen der Kinder, und von nun an war es ein anderes Leben. Das Frühstück um 6:30 Uhr, das sonst so farb- und freudlos verlaufen war, wurde zu einem Ereignis, das nicht nur mit feinem Duft und perfektem Brot aufwartete, sondern durch das wiederholte „Ping“ heiter den Tag einläutete. Wenn man die Augen schloss, so konnte man sich in ein luxuriöses Hotel versetzt fühlen, in dem Pagen mit schiefem Käppi die noblen Gäste im Aufzug begleiteten. Allerdings ging es im Falle des nobelroten Toasters nur in eine Richtung, statt in himmlische Höhen hinunter in die heiße Hölle.
Es war eine Zeit des Friedens, und sie hätte ewig währen sollen.
Dann kam der Tag. Wir wussten, dass er kommen würde, aber schon so bald? Erst war das Staunen groß, dann die Empörung. Wie konnte das sein? Der längst vergessen geglaubte Preis wurde wieder debattiert, und der geflissentlich ignorierte Hinweis auf das Produktionsland wurde zum Thema.
Der Garantieschein ließ am Ende nochmal aufatmen.
Nicht lange danach füllte ein Ersatz die schmerzliche Lücke, und das Leben konnte weitergehen. Doch irgendwie war es anders. Hatte der Vorgänger brav seine Lichtlein nach erfüllter Pflicht gelöscht, legte der Ersatz Wert darauf, ein ständiges, nervöses Flackern auszusenden.
Ein Toaster mit einem Tic?
Eines Tages beim Mittagessen passierte es zum ersten Mal. Ein „Ping“ ließ die Familie aufhorchen. Erstaunen machte die Runde, und ein Blick in den leeren Schacht bestätigte: Diese Fahrt hatte unautorisiert stattgefunden und wurde sofort widerrufen.
Die Zeit der „Kaffeefahrten“ begann, wie dieses sinnlose Gebaren getauft wurde. Das „Ping“ war fortan nicht mehr nur Zeichen eines wohligen Luxus‘, sondern auch Merkmal einer Aufmerksamkeit heischenden Unart. Der Gedanke an das Phänomen der „Montagsarbeit“ schlich sich ein und führte zu philosophischen Betrachtungen, ob auch am Menschen die Bezeichnung „Montagsarbeit“ anwendbar sei.
Ein weiterer Umtausch wurde jedenfalls ausgeschlossen. Wer konnte schon wissen, welche Unart das nächste Modell auf Lager hätte. Hinter vorgehaltener Hand kursierte unter den Kindern das Wort „Verhaltensstörung“.
Mit der Zeit arrangierte man sich auf eine wachsame Koexistenz, die allerdings das Gefühl des Luxus‘ deutlich dämpfte. Vielleicht war dem Toaster das Leben ja bisweilen zu langweilig, oder er bekam zwischendurch kalte Füße. Ein Toaster ist ja schließlich auch nur ein Mensch.