Charly und der Riese
Es war der heißeste Tag in diesem Sommer, sogar der Kindergarten hatte früher Schluss gemacht. Charly lümmelte im Schatten vor sich hin und zählte die Schweißtröpfchen, die von seiner Stirn kullerten, Plopp, plopp, plopp … Er quengelte weiter. „Doooooooch, ich trau mich, Mama, bitte, bitte, ich will auch mal allein zu Giovanni.“
Am Schluss hatte Mama nachgegeben und ihm ein Geldstück in die Hand gedrückt. Ein triumphales Lächeln huschte ihm über das Gesicht und er machte sich auf den Weg durch den Kastanienweg und vorbei an Tante Lottis Zeitungsladen. Schon sah er am Ende der Straße die riesige Waffel mit der rosaroten Kugel leuchten und das Wasser floss ihm im Mund zusammen. Genau, ein dickes, saftiges Erdbeereis wollte er sich holen, mit einem Extraschlag Sahne.
Charly reihte sich in der Warteschlange ein. Er wippte ungeduldig hin und her, bis er strauchelte und aus Versehen jemandem auf die Füße trat. Als er nach unten schaute, fiel er fast um vor Schreck. Da waren zwei Füße so groß wie die von Elefanten. Die steckten in Schuhen so groß wie Container. Wenn die Füße so riesig waren, wie groß war dann der Rest? Zentimeter für Zentimeter ließ er den Blick nach oben wandern. Aber es nahm und nahm kein Ende. Er hatte seinen Kopf schon ganz schräg nach oben verdreht, da sah er mitten im blauen Himmel ein riesiges Gesicht. Riesi Riesinger! Charly erstarrte. Ausgerechnet Riesi Riesinger bin ich auf den Fuß gestiegen.
„Junge, Junge, Junge!“, raunte Riesi, „das gefällt mir gar nicht gut. Gaaaar nicht gut. Jetzt kaufst du mir ein großes Eis – und ich will vergessen, was du angestellt hast.“
Charly wollte aber das Erdbeereis für sich und da beschloss er, sich aufzublasen. Er blies und blies, bis er am Bauch des Riesen angelangt war, und er blies weiter und weiter, bis er endlich so groß war wie der Riese.
Als er ihm direkt in die Augen schauen konnte, nahm er all seinen Mut zusammen und sagte: „Ich kaufe dir kein Eis, nur weil du größer bist als ich!“
Noch niemals zuvor hatte jemand dem Riesen widersprochen und da wurde er vor lauter Scham immer kleiner. So klein, dass er am Ende kleiner war als Charlys Turnschuhe.
Charly schmeckte sein Erdbeereis heute so gut wie noch niemals zuvor.